Rückblick
Liebe Brotgemeinschaft,
Montag Abend macht sich eine erfreuliche Anzahl Giesensdorfer auf die Beine, um das allwöchentliche Brot abzuholen oder noch die letzten Brezeln, Baguettes oder Butterkuchen zu ergattern. Das erfüllt mich mit Zuversicht, denn dadurch bekomme ich tatsächlich das Gefühl, dass sich eine kleine Brotgemeinschaft bildet! Es zeichnet sich ab, dass ich es nicht nur mit einer wechselnden Laufkundschaft zu tun habe, die vielleicht gewisse Erwartungen an eine typische Bäckerei hegt, die ich in meiner eigenbrötlerischen Werkstatt aber gar nicht bedienen kann und will!
In diesem Sinne möchte ich die erste Brotpost des Jahres dazu nutzen, um Euch ein paar Eindrücke aus den ersten Monaten zu schildern, damit Ihr immer auch ein wenig an der Entstehung Eurer Brote beteiligt seid.
Die gemütliche Backstube
Eine Backstube zeichnet sich in der Regel durch leckere Düfte nach Frischgebackenem und wohlige Wärme aus. In der Wühlmaus riecht es zwar schon mal nicht schlecht, aber kuschelig ist noch was anderes ... Seit Dezember herrschen in der Backstube so etwa zwischen 10 - 15°C, Tendenz fallend!
Wieso? Weil mein lieber Jacques Ofenback nicht in den vier Wänden bollert, sondern draußen vor der Tür. Die Wühlmaus verfügt im Innern über keine richtige Heizung. Ich selbst halte das schon einigermaßen aus, nicht aber meine Teige! Ein Sauerteig benötigt in der Regel Temperaturen zwischen 24-30°C, je nachdem, von welchem genau wir sprechen. Deswegen behelfe ich mir aktuell mit einer Terrarium-Heizmatte, einer Infrarotheizung und einem Propangas-Heizstrahler, um zumindest annähernd auf die sogenannte Zimmertemperatur zu kommen. Leider klappt das nicht jedes Mal - und dann ist guter Rat teuer...
Schuss auf Schuss
In einem Elektro- oder Gasherd kann man die Hitze ziemlich exakt regulieren; selbst wenn das Backgut schon im Ofen sitzt, kann man zur Not noch nachheizen. Bei einem Holzofen ist das nicht möglich. Sobald man ein Feuer macht, muss man ungefähr abschätzen, welche Temperatur man am Ende erreicht, wenn das Holz runtergebrannt und nur noch Glut im Ofen ist. Diese Glut wird dann auf der gesamten Backfläche ausgebreitet, damit sie die erreichte Hitze gleichmäßig verteilt. Ist zu viel Holz im Ofen, wird er zu heiß, und es dauert ewig, bis alles verbrannt ist. Und hat man zu wenig angefeuert, muss man am Ende nochmal nachlegen, was sehr lange dauert.
Ich bin derzeit darauf angewiesen, in rascher Folge einen Herd nach dem anderen zu schieben (der Bäcker nennt es "Schuss auf Schuss"), mit möglichst wenig Zwischenzeit zum Nachfeuern. Da muss ich schnell entscheiden, wie viel Holz ich nach einem Backvorgang in Jacquis Bauch lege, damit die passende Temperatur nach dem Feuer rauskommt (mind. 30 Minuten) oder ob die Resthitze ggf. mit etwas restlicher Glut ausreicht, um noch einen weiteren Ofen zu schieben. Aber ist das Brot erst im Backraum: Rien ne va plus! Nichts geht mehr! Dann musst Du mit der Hitze leben. Im besten Fall dauert es einfach viel länger, bis das Brot durchgebacken ist. Unter Umständen deutlich länger, als wenn ich einfach nochmal angefeuert hätte. Im schlimmsten Fall aber fällt die Temperatur durch das Backgut im Ofen so stark, dass es zum Durchbacken nicht ausreicht. Und weil eben (anders als beim Elektrobackofen) kein Nachregeln möglich ist, hat man dann den Salat!
Das war jetzt etwas mehr Text als üblich, aber ich wollte Euch ehrlich mitteilen, womit ich es jeden Tag am Ofen und in der (kalten) Stube zu tun habe. Ständig gilt es, Entscheidungen zu treffen, die dann eventuell einen Rattenschwanz blöder Konsequenzen nach sich ziehen, so dass ich Euch eben manchmal mitteilen muss: Tut mir leid, heute kommt das Mischbrot erst viel später aus dem Ofen ...
Lifelong learning
All das musste ich erst Stück für Stück herausfinden. Deswegen gab es in der Vergangenheit leider auch immer wieder Qualitätsschwankungen. Und auch jetzt noch lerne ich noch jeden Tag in der Backstube Neues dazu. Ich hoffe, Ihr habt Verständnis für die Besonderheiten meiner etwas untypischen Rock'n'Roll-Brotwerkstatt und bleibt mir dennoch treu.